Der Zusammenhang zwischen dem AstraZeneca SARS-CoV-2-Impfstoff und Blutgerinnseln
Zusammenfassung:
- Mehrere Länder haben die Einführung des Impfstoffs von AstraZeneca gegen SARS-CoV-2 aufgrund möglicher unerwünschter Reaktionen gestoppt.
- Die embolischen und thrombotischen Ereignisse nach der Impfung sind sehr selten.
- Das Sicherheitskomitee der EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) hat aufgrund der Konsistenz des Krankheitsbildes den Schluss gezogen, dass ein Zusammenhang möglich ist.
- Der Ausschuss gab Empfehlungen ab, die Informationen zu den Nebenwirkungen von Vaxzevria zu aktualisieren, um die Beschreibung dieser Reaktionen und zusätzliche Warnhinweise für medizinisches Fachpersonal aufzunehmen.
Nach der Einführung des COVID-19 Impfstoffs setzten mehrere europäische Nationen die Verwendung von Vaxzevria (von AstraZeneca/Oxford University) aufgrund von Bedenken über unerwünschte Ereignisse aus [1]. Reaktionen auf den Impfstoff haben zur Bildung von Blutgerinnseln und, in sehr seltenen Fällen, zum Tod geführt [2]. Die Sicherheitssignale wurden vom Ausschuss für Risikobewertung im Bereich der Pharmakovigilanz (PRAC) der EMA und anderen Behörden bewertet. Die Bewertung zeigte gemischte Ergebnisse, aber aufgrund der Schwere und der Konsistenz des Signals wurde der Schluss gezogen, dass ein Zusammenhang zwischen den tödlichen Ergebnissen und dem Impfstoff möglich ist. Das Komitee bekräftigte jedoch, dass der Nutzen des Impfstoffs die Risiken überwiegen könnte [3]. In diesem Artikel erfahren die Leser etwas über die unerwünschten Ereignisse, die Ergebnisse der Überprüfung und die Empfehlungen.
Bei den betrachteten Fällen handelt es sich konkret um embolische (Verstopfung eines Blutgefäßes) und thrombotische (Blutgerinnsel) Ereignisse, die häufig mit einem niedrigen Gehalt an Blutplättchen einhergehen. In jüngerer Zeit wurde auch das Kapillarlecksyndrom festgestellt, bei dem Gerinnsel, die den Blutrückfluss aus dem Gehirn (zerebrale Venensinusthrombose – CVST) und im Bauchraum (Splanchnikusvenenthrombose) verhindern, bei den Vaxzevria-Empfängern beobachtet wurden. Dies wurde meist bei Frauen und zwischen 0 und 16 Tagen nach der Impfung festgestellt. Die untersuchten Fälle haben gezeigt, dass die ersten Reaktionen bereits in den ersten Tagen nach der Impfung auftreten und mehrere Tage andauern können. Es folgt eine reaktionsfreie Zeit und anschließend (6 – 12 Tage nach der Impfung) eine rasche Verschlechterung [3]. Das vollständige klinische Bild ist derzeit möglicherweise noch unvollständig. Aufgrund von Einzelfällen wird die Hypothese aufgestellt, dass das Heparin-induzierte Thrombozytopenie-Syndrom (HIT-Syndrom) für die Wirkung verantwortlich sein könnte. Das Syndrom (HIT) ensteht durch das Auftreten von Antikörpern, die gegen medikamentös verabreichtes Heparin gebildet werden. Dies wurde der Klarheit halber als Impfstoff-induzierte prothrombotische Immunthrombozytopenie (VIPIT) bezeichnet, da kein offensichtlicher Zusammenhang mit einer vorherigen Heparineinnahme besteht [4].
Um den möglichen Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und Blutgerinnseln weiter zu untersuchen, wurde eine statistische Analyse durchgeführt. Der Sicherheitsausschuss der EMA verwendete EudraVigilance (Überwachungs- und Analysesystem für vermutete Nebenwirkungen von Medizinprodukten in der EU [5]) und die globale Sicherheitsdatenbank von AstraZeneca. Zusätzlich werteten sie die präklinischen und klinischen Daten neu aus und untersuchten spezifische Vorkommnisse. Die Ergebnisse des Impfstoffentwicklers ergaben keine Anzeichen zur Besorgnis. Die unerwünschten Ereignisse waren selbstlimitierend. Allerdings wurde nach der zweiten Dosis eine höhere Häufigkeit der Thrombozytenabnahme beobachtet, obwohl in der Kontrollgruppe ein ähnlicher Trend festgestellt wurde. In mehreren Analysen zeigten die Daten nach der Markteinführung 288 – 293 Vorkommnisse (Stichtage März/April 2021, die Werte sind abhängig von der Quelle) von embolischen und thrombotischen Ereignissen nach der Impfung von fast 20 Millionen Menschen. Davon waren 39 – 45 tödlich. Darüber hinaus berücksichtigte die EMA die Analyse der Länderdaten der britischen Arzneimittelbehörde MHRA (Medicines & Healthcare Products Regulatory Agency). Die Rate der Verdachtsfälle entsprach den erwarteten zugrundeliegenden Trends. Mit anderen Worten: Eine Zunahme solch unerwünschter Ereignisse sollte nach der Einführung des Impfstoffs beobachtet werden, falls der Impfstoff ein Verursacher ist. Ein kausaler Zusammenhang mit dem Impfstoff konnte weder von der MHRA noch von der EMA festgestellt werden [3].
Trotz des relativ engen klinischen Bildes der besprochenen Fälle ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen dem Impfstoff und den tödlichen Ausgängen nicht nachgewiesen. Darüber hinaus wurde kein potenzielles Risiko für den Empfänger festgestellt. Die Heterogenität der Daten und eine mögliche Untererfassung könnten die Ergebnisse jedoch beeinflusst haben [6]. Der genaue Grund für solche Effekte ist derzeit nicht bekannt, aber es wird spekuliert, dass der im Impfstoff verwendete adenovirale Vektor dafür verantwortlich sein könnte [3]. Dafür spricht auch die Tatsache, dass ähnliche Sicherheitssignale für den Impfstoff von Johnson & Johnson in den USA berichtet wurden [7]. Allerdings ist zu beachten, dass die beiden Impfstoffe unterschiedliche adenovirale Vektoren verwenden und somit die Ähnlichkeit eher gering sein könnte. Wichtig ist, dass diese Art von Effekten bei den COVID-19-Patienten in einer viel höheren Anzahl beobachtet werden – Inzidenz von 39 (in der infizierten Gruppe) und zum Vergleich 4,1 (in der mit mRNA-Impfstoffen geimpften Gruppe) bzw. 5 (in der mit dem Impfstoff von AstraZeneca geimpften Gruppe) pro Million Menschen [8]. Die virale Infektion mit SARS-Cov-2 selbst könnte in naher Zukunft einige Hinweise auf den möglichen Mechanismus liefern.
Zusammenfassend kam der PRAC zu dem Schluss, dass – trotz des Fehlens eines starken Zusammenhangs zwischen dem Impfstoff und den aufgetretenen Reaktionen – ein Zusammenhang nicht ausgeschlossen werden kann. Der PRAC empfahl daher, die Zusammenfassung der Produktmerkmale und die Packungsbeilage zu aktualisieren, um das Krankheitsbild und die Warnhinweise, die medizinisches Fachpersonal kennen sollte, aufzunehmen. Es wird außerdem dringend empfohlen, einen Arzt aufzusuchen, wenn die Impfung zu Symptomen wie Brust- oder Bauchschmerzen, Kurzatmigkeit, Beinschwellungen, Kopfschmerzen, verschwommenem Sehen oder Blutergüssen auf der Haut führt [9].
Quellen:
- https://www.sciencemag.org/news/2021/03/it-s-very-special-picture-why-vaccine-safety-experts-put-brakes-astrazeneca-s-covid-19
- https://www.sciencemag.org/news/2021/03/rare-clotting-disorder-may-cloud-worlds-hopes-astrazenecas-covid-19-vaccine
- https://www.ema.europa.eu/en/documents/prac-recommendation/signal-assessment-report-embolic-thrombotic-events-smq-covid-19-vaccine-chadox1-s-recombinant-covid_en.pdf
- Oldenburg J., et al. 2021. Diagnosis and Management of Vaccine-RelatedThrombosis following AstraZeneca COVID-19Vaccination: Guidance Statement from the GTH. Hämostaseologie. doi: 10.1055/a-1469-7481.
- https://www.ema.europa.eu/en/human-regulatory/research-development/pharmacovigilance/eudravigilance
- Østergaard D. S., et al. 2021. Thromboembolism and the Oxford-AstraZeneca COVID-19 vaccine: side-effect or coincidence? Lancet, 397(10283):1441-1443. doi: 10.1016/S0140-6736(21)00762-5.
- https://www.cdc.gov/vaccines/acip/meetings/downloads/slides-2021-04-23/03-COVID-Shimabukuro-508.pdf
- Torjesen I. 2021 Covid-19: Risk of cerebral blood clots from disease is 10 times that from vaccination, study finds. BMJ 2021;373:n1005. doi: https://doi.org/10.1136/bmj.n1005.
- https://www.ema.europa.eu/en/news/covid-19-vaccine-astrazeneca-benefits-still-outweigh-risks-despite-possible-link-rare-blood-clots