CRISPR/Cas9-Serie: eine fesselnde Reise von einem primitiven bakteriellen Abwehrsystem zu einer fortschrittlichen menschlichen Gen-Editierungs-Technologie
Die Nebenwirkungen von CRISPR / Cas9 und aktuelle Strategien zu deren Abschwächung
Zusammenfassung:
- Das CRISPR/Cas9-System schneidet oft nicht nur an der vorgesehenen Stelle des Genoms, sondern auch an anderen unerwünschten Stellen, die als unspezifische Ziele (oder Off-Targets) bezeichnet werden;
- Schnitte in unspezifischen Zielen sind hauptsächlich auf die Sequenzhomologie zwischen sgRNA und genomischen DNA-Sequenzen, die nicht zum Ziel gehören, sowie auf den Grad der Reinheit und Stabilität des sgRNA/Cas9-Komplexes in den Zellen zurückzuführen;
- Forscher haben zahlreiche Strategien entwickelt, um unspezifische Schnitte zu minimieren und die Sicherheit des CRISPR/Cas9-Systems zu erhöhen.
Das CRISPR/Cas9-System funktioniert in Bakterien und Archaeen als ein RNA-basiertes, adaptives Immunsystem. Es ist in der Lage, das Cas9-Protein auf die komplementäre DNA eines eingedrungenen Virus zu lenken und es so zu schneiden und zu zerstören. Wie wir in den vorangegangenen Artikeln (CRISPR2) erfahren haben, ist CRISPR/Cas9 ein aus Bakterien stammendes Gen-Editierungs-Werkzeug, das sich die DNA-Reparatursysteme von Zellen zunutze macht und eine Möglichkeit zur Gentherapie beim Menschen bietet. Das CRISPR-System kann mit den folgenden drei Mindestkomponenten nachgebaut werden, um seine Fähigkeit zur Gen-Veränderung zu ermöglichen:
- das DNA-schneidende Cas9-Protein;
- eine sequenzspezifische CRISPR-RNA (crRNA);
- eine zusätzliche trans-aktivierende RNA (tracrRNA).
Die Duplexe von crRNA- und tracrRNA können auch fusioniert werden, um eine chimäre RNA zu erzeugen, die als “single-guide RNA” (sgRNA) bezeichnet wird [1]. Die ersten 20 Nukleotide der sgRNA sind komplementär zur Ziel-DNA-Sequenz, gefolgt von einer Sequenz namens Protospacer Adjacent Motif (PAM) [2]. Durch einfache Veränderung der sgRNA-Sequenz können die Forscher Cas9 dazu bringen, das gewünschte Gen zu erreichen und genau in die an das PAM angrenzende Ziel-DNA-Sequenz zu schneiden [3].
Obwohl sich das CRISPR/Cas9-System als unvergleichliche Genom-Editierungs-Technologie erwiesen hat, gibt es immer noch einige Bedenken gegen seine gross angelegte therapeutische und klinische Anwendung.
CRISPR/Cas9 ist ein extrem leistungsfähiges, aber auch sehr ungenaues System [4]. Die sgRNA veranlasst Cas9 dazu, auch an anderen als den vorhergesehenen Stellen zu schneiden. Dies verursacht dann mit sehr hoher Häufigkeit (>50 %) die sogenannten unspezifischen Mutationen (“Off-Targets”) [5-6]. Ein Schnitt in einem unspezifischen Ziel ist ein Nebeneffekt der Cas9-vermittelten Genom-Editierung und verursacht DNA-Veränderungen, die unvorhersehbare negative biologische Folgen haben können. Dieser unspezifische Schnitt ist die Folge von kleinen Unterschieden (oder Fehlpaarungen) zwischen der sgRNA und der Ziel-DNA-Sequenz. Das Cas9-Protein bemerkt sie nicht und schneidet die falsche Sequenz, als wäre sie die eigentliche Zielsequenz.
Wenn die 20 Nukleotide der sgRNA von den Forschern so gestaltet werden, dass sie komplementär zur DNA-Sequenz des interessierenden Gens sind, bedeutet dies, dass die sgRNA und die Ziel-DNA-Sequenzen perfekt zueinander passen. Dennoch können andere DNA-Sequenzen in der Wirtszelle dem Zielmotiv von sgRNA/Cas9 teilweise ähnlich sein. Ähnliche, aber nicht identische Sequenzen werden von Cas9 ebenfalls erkannt und geschnitten. Die Anzahl dieser unspezifischen Ziele hängt stark davon ab, wie viele dieser homologen Sequenzen im Genom vorhanden sind.
Unspezifische Schnitte können zelltypspezifisch sein und hängen stark von der Unversehrtheit der DNA-Reparaturwege eines bestimmten Zelltyps ab [7]. Ausserdem wurde festgestellt, dass der Reinheitsgrad des Cas9-Proteins und der sgRNA die Spezifität der Schneideaktivität beeinflusst. Es wurde berichtet, dass die Zeit, die Cas9 in der Zelle verbringt, direkt proportional zum Anstieg der unspezifischen Schnitte ist [8]. Daher wäre es von Vorteil, wenn der sgRNA/Cas9-Komplex die Ziel-DNA fast unmittelbar nach der Verabreichung schneidet und in den Zellen schnell abgebaut wird.
Um die CRISPR/Cas9-Technologie in das Gesundheitssystem einbringen zu können, ist es zu einer Priorität geworden, unspezifische Ziele wirksam zu reduzieren. Tatsächlich stellen unspezifische Schnitte bei der Gen-Editierung ein nicht zu vernachlässigendes Risiko für die Sicherheit der Patienten dar. Sie können DNA-Veränderungen verursachen, die zu Krebs oder anderen unerwünschten Ergebnissen führen könnten. In Anbetracht dieser Überlegungen wurden mehrere Ansätze zur Minimierung von unspezifischen Schnitten vorgeschlagen.
Ein erster Ansatz besteht darin, die sgRNA-Sequenz zu verändern. Insbesondere die Verkürzung der sgRNA oder die Hinzufügung von zwei spezifischen Nukleotiden, den Guaninen, am Ende der sgRNA verbessert die Zielspezifität. Dabei werden unerwünschte Mutationen an einigen unspezifischen Zielstellen auf unter 1 % gesenkt. Allerdings haben Modifikationen der sgRNA-Sequenz zur Verbesserung der Cas9-Spezifität ohne Beeinträchtigung der Zieleffizienz keine zuverlässigen Ergebnisse geliefert [9]. Eine zweite vielversprechende Strategie zur Minimierung von unspezifischen Schnitten besteht darin, die Konzentration und Formulierung des sgRNA/Cas9-Komplexes zu kontrollieren. Dadurch werden seine Stabilität und sein Verhalten in den Zellen genau gesteuert [10]. Andere Ansätze konzentrieren sich auf die Modifizierung von Cas9 selbst. Um die Spezifität des DNA-Schneidens weiter zu verbessern, wurden insbesondere Fusionen von inaktiviertem Cas9 mit der FokI-Nuklease-Domäne hergestellt. Das modifizierte Cas9 ist in der Lage, die Ziel-DNA mit deutlich höherer Spezifität zu schneiden als sein Wildtyp-Gegenstück und die Zahl der unspezifischen Schnitten erheblich zu reduzieren [11].
In den letzten Jahren wurden viele weitere Werkzeuge entwickelt, um das CRISPR/Cas9-System für klinische Anwendungen geeignet zu machen. Fortschritte in der Bioinformatik und der Gentechnik liefern Werkzeuge zur Verbesserung von sgRNA und Cas9 in Bezug auf Wirksamkeit und Sicherheit [12].
Während sich die Forscher bemühen, unspezifische Schnitte abzuschwächen, müssen sich Ärzte möglicherweise zwischen der Verabreichung der Gentherapie mit dem Risiko von unspezifischer Mutationen oder dem Verzicht auf diese Therapie entscheiden. Damit könnten sie die Chance verpassen, Patienten behandeln zu können. Derzeit sind mehr als 20 klinische Studien für den Einsatz der CRISPR/Cas9-Technologie bei Patientinnen und Patienten genehmigt worden [13]. Die Auswirkungen des Kosten-Nutzen-Verhältnisses des vermehrten Einsatzes von CRISPR/Cas9 führen zu der Forderung nach starken Regulierungsinstitutionen und medizinischen Ethikkommissionen. Damit sollen jegliche Missbräuche oder moralische Übertretungen verhindert werden. Ein Beispiel sind die (un)berühmten chinesischen CRISPR-Babys, die das nächste Thema dieser Serie sein werden.
Quellen:
- Jinek M, Chylinski K, Fonfara I, Hauer M, Doudna JA, Charpentier E. A programmable dual-RNA-guided DNA endonuclease in adaptive bacterial immunity. Science. 2012;337(6096):816–821. doi: 10.1126/science.1225829.
- Anders C, Niewoehner O, Duerst A, Jinek M. Structural basis of PAM-dependent target DNA recognition by the Cas9 endonuclease. Nature. 2014;513(7519):569-73. doi: 10.1038/nature13579.
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