Gesundheit und Medizin (Health and Medicine DE)
Einführung in Impfstoffe gegen Krebs

Einführung in Impfstoffe gegen Krebs

Zusammenfassung:

  • Das Immunsystem ist in der Lage, Krebszellen zu zerstören, aber manchmal ist diese Reaktion ineffizient und der Krebs kann sich der Erkennung durch das Immunsystem entziehen.
  • Krebsimpfstoffe sollen dem Immunsystem helfen, Krebszellen zu erkennen und zu beseitigen.
  • Krebsimpfstoffe auf mRNA-Basis befinden sich derzeit in klinischen Studien, und einige haben bereits erfolgreiche Ergebnisse gezeigt.
  • Jede Krebserkrankung ist einzigartig, und Krebsimpfstoffe werden hoffentlich dazu beitragen, Krebspatienten eine vollständig personalisierte Behandlung zu bieten.

Ein pharmazeutisches Unternehmen hat vor kurzem bekannt gegeben, dass es im nächsten Monat mit klinischen Studien der Phase 3 für seinen branchenführenden personalisierten Krebsimpfstoff für Patienten mit Melanomen beginnen will [1]. Es ist der erste Impfstoff seiner Art, der diesen Meilenstein erreicht hat. Es zeigt auch, dass Impfungen nicht nur bei Infektionskrankheiten von Nutzen sind. Dieser Artikel soll eine kurze Einführung in das Thema Krebs geben und einen Einblick in den aktuellen Stand der Krebsimpfstofftechnologie vermitteln.

Krebs ist ein Sammelbegriff für Krankheiten. Diese werden dadurch verursacht, dass sich Zellen unkontrolliert teilen und die Fähigkeit erlangen, sich auf andere Teile des Körpers auszubreiten. Gesunde Zellen können durch Mutationen in ihrem Genom oder durch bestimmte Virusinfektionen, die die zelluläre Maschinerie lahmlegen, zu Krebszellen werden. Wenn sich Krebszellen vermehren, können sie eine Masse bilden, die als Tumor bezeichnet wird und das ordnungsgemässe Funktionieren der betroffenen Organe beeinträchtigen. Dies ist der Grund, warum Krebs weltweit eine der häufigsten Todesursachen ist [2]. Man geht davon aus, dass etwa 40 % der Bevölkerung irgendwann im Laufe ihres Lebens an Krebs erkranken werden [3]. Dieser Prozentsatz wäre jedoch noch höher, wenn wir unser Immunsystem nicht hätten. Dieses ist nämlich in der Lage, mutierte Zellen zu erkennen und aus dem Körper zu entfernen, bevor sie bösartig werden können.

Eine der Hauptfunktionen des Immunsystems besteht darin, ungesunde Zellen (wie virusinfizierte Zellen oder Krebszellen) von gesunden Zellen zu unterscheiden und sie zu eliminieren. Immunzellen prüfen, ob eine Zelle gesund ist, indem sie die Proteine auf der Zelloberfläche untersuchen, um sicherzustellen, dass sie normal sind [3]. Die Mutationen in Krebszellen führen dazu, dass sie anormale Proteine bilden. Diese sollten als Antigene wirken und eine Immunreaktion auslösen, bleiben jedoch manchmal unentdeckt [4]. Dies kann passieren, wenn sich die mutierten Proteine nicht ausreichend von normalen Proteinen unterscheiden, so dass die Immunzellen sie nicht als anormal erkennen. Es kann auch sein, dass die mutierten Proteine nicht in ausreichender Menge vorhanden sind, damit die Immunzellen sie bemerken [4, 5]. Darüber hinaus sind Krebszellen in der Lage, Immunzellen in unterschiedlichem Masse fernzuhalten. Indem sie hemmende oder einschränkende Signale aussenden, verhindern sie eine erfolgreiche Immunantwort. An dieser Stelle können Krebsimpfstoffe helfen. In Kombination mit Medikamenten, die die hemmenden Signale abschwächen, können Krebsimpfstoffe dem Körper helfen. Die Impfstoffe können eine starke Immunreaktion gegen die mutierten Proteine auslösen, die er zuvor nicht erkennen konnte.

Heutzutage werden junge Menschen in vielen Ländern gegen das humane Papillomavirus (HPV) und das Hepatitis-B-Virus geimpft. Da diese Viren Krebs verursachen können, ist es möglich, durch eine Impfung gegen sie bestimmte Krebsarten vorzubeugen. Die meisten Krebsarten werden jedoch nicht durch Viren verursacht, sondern durch die zufällige Anhäufung von Mutationen in unseren Zellen [6]. Jeder Krebs enthält eine einzigartige Kombination von mutierten Proteinen. Dies bedeutet, dass selbst wenn man zwei Krebsarten aus demselben Gewebe vergleicht, z. B. zwei Lungentumore oder zwei Brusttumore, sie eine völlig unterschiedliche genetische Zusammensetzung haben. Dies macht die Entwicklung von Krebsimpfstoffen komplizierter als die Entwicklung von Impfstoffen gegen einen bestimmten Infektionserreger, z. B. ein Virus [4, 7]. Da sich nicht vorhersagen lässt, welche Antigene der Krebs einer Person exprimieren wird, werden die meisten Krebsimpfstoffe therapeutisch verabreicht. Das heisst, sie werden verabreicht, nachdem sich der Krebs bereits gebildet hat. Im Gegensatz zu herkömmlichen Präventivimpfstoffen (wie der Grippeimpfung oder der pränatalen DTaP-Impfung – siehe unseren früheren Artikel), die den Patienten vor der Entwicklung einer Krankheit bewahren sollen, können therapeutische Krebsimpfstoffe die Krebsentstehung nicht verhindern. Das Ziel ist vielmehr, das Immunsystem dabei zu unterstützen, die bestehende Krankheit zu erkennen und zu heilen.

Trotz diesen Herausforderungen sind bereits mehrere Krebsimpfstoffe auf dem Markt, und weitere sind in der Entwicklung. Bis vor kurzem erhielten Patienten mit Krebserkrankungen desselben Ursprungs (z. B. alle Blasenkrebspatienten) denselben Impfstoff [8, 9, 10]. Aufgrund der oben erwähnten genetischen Vielfalt von Krebs funktionieren solche „Einheits-Behandlungen“ jedoch nicht bei jedem Patienten optimal. Inzwischen ist die Erprobung verschiedener personalisierter Krebsimpfstoffe in vollem Gange. Einige davon basieren auf der gleichen mRNA-Technologie wie die Impfstoffe gegen COVID-19 von Pfizer oder Moderna (siehe unseren früheren Artikel über mRNA-Impfstoffe) [11]. Da mRNA-Impfstoffe einfacher herzustellen sind als herkömmliche, ist es möglich, mehrere Krebsantigene in einem einzigen Impfstoff zu vereinen. Dadurch wird die Behandlung wirksamer und die erforderliche Häufigkeit der Verabreichung kann möglicherweise verringert werden [11, 12]. Jeder Impfstoff wird auf der Grundlage der genetischen Sequenz des Krebses des jeweiligen Patienten hergestellt. Mit Hilfe eines Computerprogramms werden die mutierten Proteine ausgewählt, die am ehesten eine starke Immunreaktion auslösen [11]. Indem nur die mutierten Proteine ausgewählt werden, lässt sich das Risiko von Nebenwirkungen auf gesundes Gewebe verringern. Es gibt viele verschiedene Arten von personalisierten Krebsimpfstoffen in der klinischen Erprobung. Diejenigen, die auf mRNA basieren, sind derzeit in ihrer Entwicklung am weitesten fortgeschritten.

Die Hersteller des zu Beginn dieses Artikels erwähnten mRNA-Krebsimpfstoffs haben kürzlich dessen Wirksamkeit nach Phase 2 der klinischen Studie bekannt gegeben. Ihren Angaben zufolge verringert der Impfstoff in Kombination mit einem Krebsmedikament das Risiko eines Rückfalls oder des Todes um 44 % im Vergleich zu Patienten, die das Medikament ohne den Impfstoff einnahmen [11]. Es ist bekannt, dass Melanome gut auf Therapien ansprechen, die das Immunsystem aktivieren. Es besteht jedoch die Hoffnung, dass diese Impfstoffe (Vakzine) auch gegen andere Krebsarten wirksam sind [13, 14]. Es laufen bereits klinische Versuche, um zu testen, ob personalisierte Krebsimpfstoffe auch bei einer Reihe anderer solider Tumore wie Lungen- und Dickdarmkrebs wirken können [15, 16].

Obwohl sich diese Ansätze noch in einem frühen Entwicklungsstadium befinden und ihre eigenen Grenzen haben, stellen sie dennoch eine spannende Entwicklung auf dem Gebiet der personalisierten Medizin dar.

Quellen:

  1. ClinicalTrials.gov. A Clinical Study of V940 Plus Pembrolizumab in People With High-Risk Melanoma (V940-001). Last updated: 13 July 2023.
  2. WHO, Fact sheets – Cancer. World Health Organization. 3 February 2022.
  3. Dersh, D., Hollý, J. & Yewdell, J.W. A few good peptides: MHC class I-based cancer immunosurveillance and immunoevasion. Nat Rev Immunol 21, 116–128 (2021).
  4. Tontonoz, M. The Immune System Can Fight Cancer. So Why Doesn’t It? Memorial Sloan Kettering Cancer Center. 11 December 2018. Original publication: Gejman, R.S. et al, Rejection of immunogenic tumor clones is limited by clonal fraction. eLife 7:e41090 (2018).
  5. Makkouk, A., Weiner, G.J. Cancer Immunotherapy and Breaking Immune Tolerance: New Approaches to an Old Challenge. ACCR Reviews. 1 January 2015.
  6. Zapatka, M., Borozan, I., Brewer, D.S. et al. The landscape of viral associations in human cancers. Nat Genet 52, 320–330 (2020).
  7. Hollingsworth, R.E., Jansen, K. Turning the corner on therapeutic cancer vaccines. npj Vaccines 4, 7 (2019).
  8. SCIENCE BEHIND PROVENGE: POWERFULLY PERSONAL. Provenge (sipuleucel-T). (2021).
  9. IMLYGIC. imlygic.com (2023).
  10. BCG Live Package Insert – FDA. https://www.fda.gov/media/76396/download (2009).
  11. Moderna. News Details – MODERNA AND MERCK ANNOUNCE MRNA-4157/V940. 13 December 2022.
  12. Chivukula, S., Plitnik, T., Tibbitts, T. et al. Development of multivalent mRNA vaccine candidates for seasonal or pandemic influenza. npj Vaccines 6, 153 (2021).
  13. Vitale, G. Chemical & Engineering News. Moderna/Merck cancer vaccine shows promise in trials. 20 December 2022.
  14. Biontech – Pipeline and products – mRNA therapeutics – BNT 122 (autogene cevumeran). (2023).
  15. Fritah, H. et al. The current clinical landscape of personalized cancer vaccines. Cancer treatment Reviews. 24 March 2022.
  16. Wilkinson, E. UK–BioNTech partnership for mRNA cancer vaccines. The Lancet. 13 July 2023.